Norditalien
Aargauerin in der Corona-Sperrzone: Der Grappa ist hier Desinfektionsmittel

Beatrice Strässle aus Rupperswil lebt in Norditalien und führt dort mit ihrem Partner ein Bed and Breakfast nahe des Dorfs Montabone. Es liegt in der "Zona Rossa", der Corona-Sperrzone, die die italienische Regierung verhängt hat. Wie weiter?

Nadja Rohner
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Am Montag hat es geregnet. Beatrice Strässle hofft, dass das Wetter besser wird, und sie die Zwangspause wenigstens zum Gärtnern nutzen kann.

Am Montag hat es geregnet. Beatrice Strässle hofft, dass das Wetter besser wird, und sie die Zwangspause wenigstens zum Gärtnern nutzen kann.

ZVG

Die italienische Regierung hat beschlossen, zahlreiche Provinzen im Norden des Landes faktisch abzuriegeln*. Fast niemand mehr kommt rein oder raus, Ausnahmen gibt es nur in Notfällen. Das trifft den Tourismus hart. Auch Bea Strässle (62). Die ehemalige Rupperswilerin und Redaktionsleiterin des «Lenzburger Bezirksanzeigers» wanderte 2017 mit ihrem Partner ins Piemont aus. Ausserhalb des Dorfs Montabone in der Provinz Asti eröffneten die beiden ein Bed and Breakfast, das «Casa Fossello».

Das Geschäft läuft eigentlich gut, rund die Hälfte der Gäste kommen aus dem Aargau. Allerdings: Als die AZ am Montagnachmittag mit Bea Strässle telefonierte, war sie gerade dabei, alle Buchungen bis Ende März abzusagen. Dabei wäre ihre vierte Saison als Gastgeber gerade angelaufen.

Hätte sie derzeit Gäste, müsste Bea Strässle diese nach Hause schicken; das hat das Tourismusbüro der Region gestern allen Anbietern mitgeteilt. Auch ihren geplanten Besuch in der Schweiz kann Strässle nicht wie geplant machen – ihr Sohn, der demnächst Geburtstag hat, muss auf das versprochene piemontesische Buffet verzichten.

In der Nacht auf Sonntag sind viele Menschen aus den jetzigen Sperrgebieten ausgereist. Sie sind geblieben. Haben Sie keine Angst?
Bea Strässle: Eher, dass uns die Decke auf den Kopf fällt, weil heute so ein grauer Tag war und wir nicht mal etwas im Garten machen konnten. Nein, wir fühlen uns hier auf dem Land recht sicher. Das Piemont hat über vier Millionen Einwohner und, Stand Sonntagabend, 370 Corona-Fälle – das sind im Vergleich mit den Einwohnern nicht viele. Wir beide sind soweit gesund, weshalb wir glauben, auch eine Ansteckung überstehen zu können. Und wir halten uns an die Hygieneregeln. Genug Desinfektionsmittel ist im Haus – der ganz hochprozentige Grappa zum Beispiel, den wir sonst nur zum Putzen brauchen. Auch Schutzmasken haben wir, sie lagern noch in der Garage.

Sie wohnen mitten in der «Zona Rossa», der Roten Zone. Müssen Sie zu Hause bleiben?
Nein, das nicht. Wir sollten innerhalb der Zone nicht zu weit herumfahren, also zum Beispiel nicht nach Asti, das 30 Kilometer entfernt liegt. Aber in den nächsten grösseren Ort, Aqui Terme, können wir problemlos gehen. Da waren wir heute einkaufen, die Supermärkte haben offen. Witziges Detail: Es gibt jetzt wieder Corona-Bier, das war eine Weile lang ausverkauft.

Wie ist die Stimmung in der Bevölkerung?
Nicht schlecht. Vor zwei Wochen hat man noch mehr Panik gespürt, mittlerweile hat sich das gelegt. Die Italiener nehmen es derzeit locker, nach dem Motto: «In Gottes Namen, jetzt ist es halt so.» Es sind auffällig viele Spaziergänger unterwegs, so vertreibt man sich die Zeit. Die Leute überlegen sich natürlich schon, wie sie sich vor einer Ansteckung schützen können. Der geforderte Meter Abstand zwischen zwei Personen ist aber im Alltag schwierig einzuhalten – man stelle sich nur mal eine typisch italienische Bar vor. Leute mit Schutzmasken sieht man hier eher selten; wenn, dann vor allem Junge sowie Coiffeure oder ähnliche Dienstleister. Aber: Sehr viele Personen tragen chirurgische Handschuhe.

Die Reise-Saison würde normalerweise jetzt anlaufen. Welche Rolle spielt der Tourismus in Ihrer Region?
Wein, Haselnüsse und Tourismus sind die wichtigsten Einnahmequellen hier. Für uns ist der Tourismus die Einzige. Wenn wir über den 3. April hinaus eine Rote Zone bleiben, können wir das bis Ende Jahr nicht wieder aufholen. Das trifft nicht nur uns zwei, sondern auch die Frau aus dem Dorf, die für uns die Zimmer macht. Schlimm ist die Situation auch für die Gastronomie. Die Restaurants und Bars schliessen jetzt alle um 18 Uhr. Wir waren kürzlich auswärts essen – das Restaurant hatte nur sechs Gäste in jener Woche. Ich wage mir gar nicht auszumalen, wie viele in den nächsten Wochen und Monaten schliessen müssen.

Und wie geht es für Sie weiter?
Wir nehmen es von Tag zu Tag. Morgen ist hoffentlich wieder schönes Wetter, dann kann ich jäten. Und wir hoffen sehr, ab dem 3. April wieder Gäste empfangen zu können. Das ist unser Herzblut.

* Update: Das Interview wurde am Montagnachmittag geführt. Am späten Montagabend hat der italienische Ministerpräsident Giuseppe Conte angekündigt, dass die Sperrzone ab Dienstag auf ganz Italien ausgeweitet wird.